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Nachdem sie die Sitzungsleitung wieder übernommen hat teilt Ratsvorsitzende Frau Bank mit, dass der Verwaltungsausschuss keine Beschlussempfehlung ausgesprochen habe. Die Verwaltung habe rechtliche Bedenken mitgeteilt und empfiehlt, den Antrag zur Beratung und rechtlichen Klarstellung in den Ausschuss für allgemeine Angelegenheiten, Integration und Gleichstellung zu überweisen.
In der Begründung des Antrages der Piraten-Ratsfraktion teilt Ratsherr Ramaswamy u.a. mit, dass der Rat der Stadt Göttingen heute ein Zeichen setzen und eine Paradigmenwechsel in der Behandlung von Flüchtlingen einleiten könne. Alle die Flüchtlinge begleitende Organisationen würden den Ablauf der Verfahren und die aktuellen Ausführungsrichtlinien für Abschiebungen kritisieren. Die Piraten-Ratsfraktion sei aus zeitlichen Gründen daher mit einer Überweisung nicht einverstanden und beantrage einen Direktbeschluss Unter Hinweis auf Artikel 1 des Grundgesetzes, der im Sinne nach natürlich auch für alle Menschen auf dieser Welt gelte, führt Ratsherr Ramaswamy weiter aus, dass diese Rechte nicht durch untergeordnete Gesetze und Verordnungen ausgehebelt werden können. In vielen europäischen Ländern sei eine menschenwürdige Behandlung von Flüchtlingen leider nicht gegeben. Viele deutsche und europäische Gerichte würden Abschiebungen in diese Länder deshalb auch untersagen. Die Kommunen als ausführendes Organ müssten Verantwortung übernehmen und Menschlichkeit zeigen. Die Flüchtlinge, die u.a. aus Kriegsgebieten kämen dürften hier nicht nochmals zu Opfern werden. Der eigentliche Abschiebeprozess sei unwürdig, unmenschlich und erniedrigend angesichts der Erlebnisse der Flüchtlinge. Es stelle sich für ihn die Frage, ob noch von einer humanen oder einer ökonomischen Demokratie gesprochen werden kann, in der nur Menschen „hereingelassen“ würden, die gebraucht werden könnten. Ratsherr Ramaswamy weist darauf hin, dass es z.B. die thüringische Landesregierung als selbstverständlich ansehe, ihr Handeln an den „Maßstäben der Menschlichkeit und Menschenwürde“ zu messen. Der Rat der Stadt Göttingen sollte den Mut aufbringen und sein Handeln daran orientieren. Auf eine entsprechende Anfrage habe die Rechtsabteilung der Stadt mitgeteilt, dass die Behörden verpflichtet seien, eine Ausreisepflicht zwangsweise durchzusetzen und Abschiebungen einzuleiten. Hier sollte menschliches Handeln Vorrang eingeräumt werden, damit alle Menschen dort leben könnten, wo auch immer sie es wollen. Er fordere hiermit den Oberbürgermeister auf, entsprechend zu handeln und zukünftig gegen Abschiebungen Klage zu erheben. Ein heutiger Beschluss des Antrags bewirke nicht nur Vollstrecker der anweisenden Behörden zu sein, sondern sich auf die Seite der Flüchtlinge zu stellen. Erst durch eine Klage, in der nicht die Gründe für eine Abschiebung, sondern deren Verhinderung zusammen zu tragen seien, könne Rechtssicherheit erlangt werden, um einen Flüchtling nicht abschieben zu müssen.
Beigeordneter Wucherpfennig teilt mit, dass unzählige Flüchtlinge aus den verschiedensten Krisen- und Kriegsgebieten in der Welt sich nach Deutschland durchschlagen würden in der Hoffnung, hier ein menschenwürdiges, unversehrtes Leben in Freiheit und Sicherheit zu erlangen. Leider würden nur die wenigsten Asyl-Anträge auch positiv beschieden. Darüber hinaus sei Deutschland nach der „Dublin-III-Verordnung“ auch nur für die Prüfung der Asylbegehren zuständig, wenn es das erste europäische Land sei, das von Schutzsuchenden betreten wurde. Das nehme den Flüchtlingen das Recht zu entscheiden, wo sie Asyl suchen wollen. Die Hauptverantwortung werde damit an die europäischen Außengrenzen verlagert und Deutschland profitiere am Meisten von dieser Regelung. Seit der Reformierung der „Dublin-III-Verordnung“ habe eine regelrechte Abschiebungswelle an die Ränder Europas begonnen. Die katastrophalen Zustände in anderen EU-Ländern führten dazu, dass sich viele Asylsuchende in der Schleife von Weiterflucht und Abschiebung befänden. Eine der Grundideen der Verordnung, nämlich die schnelle Klärung der Zuständigkeiten, werde durch die langjährigen Odysseen der Flüchtlinge „ad absurdum“ geführt. Beigeordneter Wucherpfennig vertritt die Auffassung, dass der Rat der Stadt Göttingen alles in seiner Macht stehende tun müsse, um Abschiebungen jeglicher Art zu unterbinden. Die Ausländerbehörde müsse darüber hinaus alle rechtlichen Möglichkeiten ausschöpfen, Abschiebungen in einen anderen EU-Mitgliedsstaat - insbesondere ins soziale Elend am Rand Europas - zu verhindern. Sollte dies trotz aller Bemühungen scheitern, müssten Rücküberstellungen in humaner Weise und unter uneingeschränkter Wahrung der Grundrechte und der Menschenwürde erfolgen. Die GöLINKE-Ratsfraktion hoffe, im Ausschuss für allgemeine Angelegenheiten, Integration und Gleichstellung eine entsprechende Forderung an die Ausländerbehörde der Stadtverwaltung auf den Weg bringen zu können. Einem Direktbeschluss könne ebenfalls zugestimmt werden.
Für die Bündnis90/Die Grünen-Ratsfraktion teilt Ratsherr Tugcu u.a. mit, dass einer Überweisung in den Fachausschuss zugestimmt werden könne. Der erste Teil des Antrages sei auch zu unterstützen, jedoch die Verwaltung als ausführende Behörde zu beauftragen, Weisungen nicht zu verfolgen, sei sicherlich nicht möglich.
Beigeordneter Dr. Scherer vertritt die Auffassung, dass dieser Antrag nicht zielführend sei und die CDU/FDP-Gruppe sowohl eine Überweisung als auch einen Direktbeschluss ablehnen werde. Die Verwaltung könne gar nicht im Sinne der Forderungen handeln, weil es sich hier um Aufgaben des übertragenen Wirkungskreises drehe, die auf Weisung der Fachaufsicht wahrgenommen werden müssen. Die Stadt sei somit verpflichtet, in den begründeten Fällen die Ausreispflicht durchzusetzen und die Abschiebung einzuleiten. Ein Entscheidungsspielraum gebe es nicht und die Verwaltung zu einem rechtswidrigen Handeln aufzufordern werde grundsätzlich abgelehnt.
Oberbürgermeister Köhler weist darauf hin, dass es nicht Aufgabe des Rates sei, die Flüchtlingspolitik in Deutschland zu bewerten. Er als Oberbürgermeister sei nach der Kommunalverfassung darüber hinaus verpflichtet, bei einem rechtwidrigen Beschluss die Kommunalaufsicht hiervon zu unterrichten. Dabei dürfe seine persönliche Einstellung zu Bundesgesetzen und deren Ausführung keine Rolle spielen. Aus diesem Grund habe die Verwaltung vorgeschlagen, den Antrag in den Ausschuss für allgemeine Angelegenheiten, Integration und Gleichstellung zu überweisen, um dort u.a. über die Auswirkungen des „Dublin-Abkommens“, zum Verhalten der „EU“ und weiteren Hintergründen zu diskutieren. Abschließend teilt Oberbürgermeister Köhler mit, dass sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Hauses seit Monaten aktiv mit der Thematik auseinandersetzen würden und alle rechtlichen Möglichkeiten ausschöpften, wofür er auch sehr dankbar sei.
In seinem Schlusswort teilt Ratsherr Ramaswamy mit, dass er genau mit dieser Argumentation gerecht habe. Er wolle aber darauf hinweisen, dass die Verwaltung nicht gegen die Weisungen der Fachaufsicht verstoßen soll, sondern vielmehr dagegen Klage erheben möge. Dieses Recht stehe ihr nach seiner Kenntnis zu, damit dann auch gerichtlich geklärt werden könne, ob eine Abschiebung rechtmäßig sei oder nicht. Bekanntermaßen helfe nur zivilgesellschaftlicher Druck, um in dieser Frage einen Schritt weiter zu kommen. Außerdem sei es ein gutes Signal wenn der Rat deutlich machen würde, diese Art der Abschiebungen nicht mehr akzeptieren zu wollen.
Im Anschluss wird der Antrag auf Direktbeschluss vom Rat mit Mehrheit (16 Ja-, bei 24 Nein-Stimmen) abgelehnt.
Der Rat beschließt mit Mehrheit, den folgenden Antrag zur weiteren Beratung in den Ausschuss für allgemeine Angelegenheiten, Integration und Gleichstellung zu überweisen:
„Der Rat der Stadt Göttingen beschließt, dass die Ausländerbehörde beauftragt wird, die Ausführung von Abschiebungen nach dem Dublin-Abkommen nach Italien, Bulgarien, Rumänien und Ungarn im Sinne des Urteils des europäischen Gerichtshof für Menschenrechte vom 4.11.2014, unter Ausschöpfung aller Verwaltungs- und rechtlichen Möglichkeiten zu prüfen. Dabei soll das Ziel sein, keine Abschiebungen mehr durchzuführen, bei denen vorab keine individuelle Garantie über eine entsprechende Unterbringung und Behandlung (- wie der EGMR in seiner Schlussfolgerung festgestellt - ) vorliegt.
Des Weiteren wird die Stadt Göttingen beauftragt, gegen etwaige Anweisungen zur Abschiebung Rechtsmittel einzulegen, um Rechtssicherheit zu erlangen.“
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